Zecil
1998
Sieben Stationen eines Leidensweges
Theatergruppe "Schmiere" begeistert bei Premiere mit historischem Stoff
Babenhausen |fs|
"Was isch des für a Zeit, wo d'Freid koin Platz hat", in der "dr Arme erscht schterba muaß, damit er glücklich sein kann" und außereheliche Beziehungen als "sündiges Beiwohnen" höchste Strafen nach sich ziehen? Kommt da noch eine uneheliche Schwangerschaft dazu, dann ging es den Frauen meist so, wie der "Zecil" im gleichnamigen Theaterstück. Als "Dorfhuar" abgestempelt, von der Gesellschaft ausgegrenzt und von der Obrigkeit an den Pranger gestellt, zieht sie das Fazit: "Mir sind z'fria auf dieser Welt!"
Neue Wege ging auch diesmal die experimentierfreudige Babenhauser Theatergruppe "Schmiere" mit der Aufarbeitung eines historischen Stoffes, der sich in Reichau (Landkreis Unterallgäu) nachweisbar so abspielte. Im Mittelpunkt steht dabei die junge "Zecil", die als Patin für alle Frauen fungiert, die durch "sündige Beiwohnung" unehelich schwanger wurden. In ärmlichsten Verhältnissen wächst sie als Häuslertochter auf, deren Verbrechen darin besteht, sich in den stellenlosen Knecht "Endres" zu verlieben und ein Kind von ihm zu erwarten. Damit verstößt sie harsch gegen "das 6. Gebot" und die damalige, verlogenen und falschen Moralvorstellungen der Obrigkeit, besonders der Kirche. So verdingt sich diese auf den Betscherhof als Küchenmagd, wo extreme Charaktere aufeinander treffen. Wie ein roter Faden zieht sich eine melancholische, von einer Mundharmonika untermalte Melodie ("Der Bettler wird ein Reicher . . . ") durch die Szenen, in denen Zecil stets in der Hoffnung lebt, "s' wird si alles ändern". Als Zecil erneut schwanger wird, das erste Kind starb kurz nach Geburt, gewinnt ihr Leidensweg an Rasanz.
Zuvor geht es aber beim "Untera Wirt" rund, wobei die Gäste nach einigen Bieren wider den herrschaftlichen Stachel lecken ("Dr Deifl sol alle Herra hola!"), aber auch realistisch feststellen: "Bisch de arm, dann muasch di ducka!" Derart erniedrigt muß sich Zecil vor der Reichauer Dorfkirche als Dorfhure abgestempelt die Schmach gefallen lassen, der sich ihr Vater durch Selbstmord entzieht (". . . jetzt hat sie ihnen Vaddr au no aufm Gwissa").
Musikalisch nimmt das Schlußbild die Melancholie des ersten Aktes auf, diesmal aber verbunden mit der Hoffnung, "der Friede folgt dem Streite, der Hungrige wird satt gemacht, die Mühsal wird vergeben". Symbolisch steht dabei die Engelmacherin, die der Angeprangerten Stärke wünscht. Allerdings stellt Zecil resignierend fest, daß "mir z'fria auf dieser Welt sind", die eine grausame Zeit ist. Die tiefe Betroffenheit, die die fast 30 Mitglieder der Theatergruppe "Schmiere" beim Publikum auslöste, wich dann aber einem nicht enden wollenden Applaus.
Das größte Lob spendete aber der Heimatforscher Hermann Happ, der die historischen Grundlagen für dieses Stück eruiert hatte. Gegenüber der IZ stellte er fest, daß er das Rohmaterial, den Marmor, geliefert habe, Anton Demmeler und seine junge Theatergruppe aber bei diesem Kunstwerk die "Michelangelos" seien.
Quelle: Illertisser Zeitung vom 06. November 1998